Die AK ist ein Ausschuss der Bundesärztekammer, die bzw. deren Vorläufer seit 1911 zu wissenschaftlichen und arzneimittelpolitischen Fragen Stellung nehmen. Derzeit hat Wolf-Dieter Ludwig, Leiter der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie in Berlin-Buch, den Vorsitz inne.

Die Autoren erwähnen die schwierige Abgrenzung, was komplementär und alternativ bedeutet, und definieren CAM schließlich negativ als Behandlungen, die „nach dem Selbstverständnis ihrer Vertreter und Opponenten außerhalb der wissenschaftlich orientierten Medizin“ stehen.  Die wissenschaftliche Medizin ihrerseits wird durch vier Prinzipien definiert:

  1. Sie könne ihren Nutzen empirisch nachweisen
  2. bemühe sich um rationale Krankheitstheorien
  3. eliminiere Therapieformen mit fehlender oder nicht ausreichender Wirksamkeit
  4. berücksichtige auch psychische und seelische Begleiterscheinungen.

Aus dem CAM-Bereich werden die besonderen Therapierichtungen Phytotherapie, Anthroposophische Medizin und Homöopathie, die in Deutschland gesetzliche Kassenleistung sind, näher beleuchtet. Diese Verfahren werden Umfragen zufolge von etwa 70 Prozent der Frauen und 54 Prozent der Männer genutzt und von 60% der Hausärzte regelmäßig verordnet. Die Kosten machen nur ca. 0.3% der GKV-Arzneimittelausgaben und 4.5% der PKV-Arzneimittelausgaben aus, allerdings werden die Präparate häufig von den Patienten selbst bezahlt. Der Apothekenumsatz liegt bei ca. 1,8 Mrd €/Jahr.

Die praktischen Erfolge dieser Therapierichtungen werden auf den Placeboeffekt zurückgeführt, den die Kommission ausführlich aus der Studienlage heraus erläutert. Nach einer kurzen Auseinandersetzung mit verschiedenen theoretischen Argumentationslinien der CAM-Befürworter („natürlich“, „patientenorientiert“, „ganzheitlich“, „preisgünstig“, „der Wissenschaft nicht zugänglich“, „wer heilt, hat Recht“) kommt sie zu dem Schluss: Arzneimittel der Komplementär- und Alternativmedizin sollten keinen Platz in der therapeutischen Praxis haben, vor allem auch nicht mit wissenschaftlich begründeten Verfahren „integrativ“ eingesetzt werden.

Placebo-Verschreibungen medikalisierten die Medizin unnötig und sollten durch hausärztliche, ggf. auch psychotherapeutische Behandlungen ersetzt werden. Ärzte sollten Empathie und Zuwendung nicht an CAM und Placebos delegieren.

Leider fallen schon beim oberflächlichen Lesen Fehler auf (z.B. wird Paracelsus in das 14. Jahrhundert verlegt), sodaß die ausführliche medizinhistorische Grundlage der Arbeit eher schwach wirkt. Es scheint mir auch fragwürdig, dass keiner der sieben Autoren bei sich irgenwelche Interessenkonflikte annimmt. Ob die Politik diesem Positionspapier folgen wird, wird sich zeigen.

Anlauf M, Hein L, et al.: Komplementäre und alternative Arzneitherapie versus wissenschaftsorientierte Medizin. German Medical Science 23. Juni 2015;13:Doc05 doi: 10.3205/000209, urn:nbn:de:0183-0002094